Deutscher Meister. 1959.

Je länger es her ist desto unsinniger und idiotischer werden die Äußerungen mancher Zeitgenossen aus einer vergangenen Zeitrechnung. Allen ernstes behauptet heute ein Freizeitsportler, dass es nicht einmal passende Turnschuhe gab; seine haben immer gedrückt, waren zu klein und das Laufen eine Qual.
Vielleicht hat er die Dinger ja über den Kopf gezogen und dann hat sich da oben alles zusammengezogen. Tut mir leid für den Kollegen, den die hiesige Tageszeitung da zitiert hat.
Ganz offensichtlich keine Probleme mit passendem Schuhwerk haben da die Sportkameraden vom SC Rotation Südost Leipzig gehabt. Sie wurden Deutscher Meister im Hockey, schlugen im Finalspiel den SC Motor Jena.
Es waren die letzten gesamtdeutschen Meisterschaften. 1959.

SC Leipzig. Deutscher Hockey-Meister, 1959. (Foto: cc-Lizenz)

SC Leipzig. Deutscher Hockey-Meister, 1959. (Foto: cc-Lizenz)

Mit dabei Hans-Jürgen Matejka und Walter Kupke. Auf dem Foto* die Meistermannschaft in Siegerpose, Matejka, stehend, 3. von links und Kupke, stehend, 3. von rechts. Als Rechtsaußen kam an diesem Hühnen kaum ein gegnerischer Stürmer vorbei. Es war die richtige Entscheidung. Walter Kupke wechselte wenige Monate zuvor vom Tor auf die Rechtsaußenposition.
Heute ist Sonnabend. 2013. 44 Jahre später.
Auf dem Sportplatz Brehmer in der Leipziger Holzhäuser Straße treffen sich die Sportkameraden des jetzigen HTC Leipzig zum Subbotnik. Sie lachen als ich dies feststelle. Nicht, weil sie wirklich des Heimatstadion nach der Winterpause wieder in Schuss bringen, sondern wohl eher über den Begriff aus einer Vorwendezeit.
Ich habe mich vorgestern mit Thomas Fehse verabredet. Er ist seit fünf Jahren Vorsitzender der Hockey-Abteilung beim HTC Leipzig, ein netter, freundlicher und hilfsbereiter Zeitgenosse. Vor zwei Jahren hat ein Geisterfahrer auf der Autobahn die sportliche Leitung der Hockey-Abteilung ausradiert. Der Vorsitzende und der Trainer starben, zwei Spieler wurden schwer verletzt und sind heute noch traumatisiert. Thomas Fehse übernahm die Leitung. Offenbar ein Glücksgriff. Bei meinen Recherchen in diesem Fall habe ich auch andere Funktionäre in der ostdeutschen Hockeyszene kennengelernt, bzw. nicht kennengelernt.
„Der da hinten, bei den Maulwürfen, das ist er.“ Gleich meine erste Frage ein Volltreffer. Ich laufe quer über das Spielfeld, das wegen des schönen Wetters die letzten Tage gut abgetrocknet ist. Kein Schlamm mehr an den Schuhen, dafür 30 Zentimeter hohe Maulwurfpyramiden. Ich kenne das aus dem eigenen Garten. Aber diese kleinen, fast blinden Erdbewohner sind nun mal wie sie sind. Jeder macht anders auf sich aufmerksam. Doch auf dem Hockeyfeld stören diese Erdhügel schon; können ein ganzes Ligaspiel auf den Kopf stellen. Der Subbotnik wird Abhilfe schaffen.
Thomas Fehse, den Spaten statt den Hockeyschläger in der Hand, zeigt mir, wer seinerzeit mit Walter Kupke für Rotation Südost und den SC Leipzig stürmte. Es macht ihm offenbar überhaupt nichts aus, mit diesem schweren Gartengerät in die richtige Richtung zu zeigen. Auch im letzten Punktspiel gab er die Linie vor, mit dem wesentlich leichteren Hockeyschläger. Punktsieg.
Wenig später sitze ich mit zwei der älteren, aber nicht weniger aktiven Sportkameraden an einem flugs aufgestellten Gartentisch und wir lassen die alte Zeit noch einmal aufleben. Sie erinnern sich, ich höre zu. Das ist gerecht. Immerhin hatte ich gerade mal 4 Lenze auf dem Kinderbuckel, als der SC Leipzig mit Matejka und Kupke Deutscher Feldhockey-Meister wurde. Sie konnten den Triumph noch zweimal wiederholen.
Hans-Jürgen Matejka ist gut vorbereitet. Extra für mich hat er das einzige Meisterfoto von damals mitgebracht und zeigt auf die einzelnen Spieler. Der ist heute das, der spielt noch in der Ü70, dieser lebt nicht mehr und der hier, das bin ich …verschmitzt lächelt er über meine Bemerkung, dass er damals durchaus als Johnny Weissmüller durchgegangen wäre. Der Haarschopf ist verblüffend ähnlich; heute hat Matejka da oben nur noch etwas Flaum. Deutscher Meister ist er trotzdem noch, mit dem HTC Leipzig in der Ü70. Unverwüstlich.
Nicht mehr dabei ist Walter Kupke.
Nach zwei Jahren täglicher Gegenwehr hat er vor 4 Tagen den letzten Kampf seines Lebens verloren. Mit 79 Jahren. Was für einen Fastfood-Fresser und Bier-Trinker eine heroisches Alter wäre. Kupke dagegen blieb nach der aktiven Laufbahn dem Hockeysport treu. Als einer der wenigen, international eingesetzten Schiedsrichter, vertrat er sowohl die DDR als auch nach 1990 den deutschen Hockeysport im Ausland.
Wir werden sein Andenken in Ehren halten.
Auf dem Waldfriedhof Miltitz.
Am 17. Mai 2013.
Und im Internet; in der deutschen Wikipedia. Der Artikel ist schon vorbereitet. Gereon, der Admin, wird mir helfen.
(c)casus.2013
*Foto (mit freundlicher Genehmigung von Hans-Jürgen Matejka, cc-Lizenz)

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